Positionspapier zur Zukunft Europas PDF Print

Die Europäische Union steht vor der großen Herausforderung, ihre Institutionen und die Strukturen ihrer Verträge und ihrer Entscheidungsfindung für Bürger und Politiker verständlicher und transparenter zu machen und gleichzeitig für eine erweiterte Union funktionsfähig zu gestalten. Im April 2002 verabschiedete die Generalversammlung der Paneuropa-Union in Pressburg (Bratislava) folgendes Positionspapier zur Zukunft Europas:

1. Subsidiarität

Das Schlußdokument von Laeken erwähnt mehrmals den Begriff der Subsidiarität und stellt unter anderem die Frage: „Auf welcher Ebene werden die Zuständigkeiten am effizientesten wahrgenommen? Wie soll dabei das Subsidiaritätsprinzip angewandt werden?“ Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, Subsidiarität sei ein Delegationsprinzip, dem folgend Nationalstaaten Kompetenzen auf andere Ebenen delegieren, ist Subsidiarität tatsächlich ein natürliches Ordnungsprinzip. Es geht davon aus, daß Zuständigkeiten auf jener (administrativen, politischen, gesellschaftlichen) Ebene angesiedelt werden müssen, wo sie am besten – oberstes Ziel ist dabei immer das Gemeinwohl – wahrgenommen werden können. Subsidiarität geht deshalb über den eingeschränkten Souveränitätsbegriff des Nationalstaatskonzeptes des 19. Jahrhunderts hinaus und anerkennt in Ordnung gegliederte Souveränitäten, die für den jeweiligen Souverän Zuständigkeit und damit verbunden auch Verantwortung bedeuten. Im Idealzustand der Subsidiarität sind deshalb die Zuständigkeiten auf exakt jener Ebene angesiedelt, wo sie am effizientesten wahrgenommen werden können.

Für eine subsidiäre Ordnung gibt es nicht nur eine Unterscheidung zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaat mit einer fakultativen regionalen Ebene (wie es das Schlußdokument von Laeken formuliert) sondern eine dezentrale Struktur, die von der lokalen Einheit bis zur europäischen Ebene reicht. Zusätzlich anerkennt die Subsidiarität gesellschaftsbildende Einheiten (wie beispielsweise die Familie), die – ebenso wie die administrativen Einheiten – je eigene Souveränitäten besitzen.

Subsidiarität stellt deshalb auch nicht die Frage, „wie viel Europa brauchen wir?“, sondern nur die Frage, „wie viel Regierung, wie viel Staat, brachen wir?“ Der Grundsatz der Freiheit in Verantwort steht vor der Regelungswut des heute vorherrschenden Gesetzespositivismus. Im Sinne dieser Freiheit in Verantwortung strebt die Paneuropabewegung nach einer drastischen Reduzierung gesetzlicher Bestimmungen. Im Sinne der Subsidiarität, die auch im Schlußdokument von Laeken erwähnt wird, fordert die Paneuropabewegung Österreich daher

  • die Entwicklung eines Europäischen Volksgruppenrechtes mit der Möglichkeit der angestammten Volksgruppen, sich direkt an die Institutionen der EU einschließlich des EuGH zu wenden,
  • die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips als natürliches Ordnungsprinzip in den europäischen Verträgen bzw. der zu schaffenden Europäischen Verfassung,
  • einen Kompetenzkatalog, der die ausschließlichen und die übergreifenden Zuständigkeiten der EU definiert, wobei in strittigen Fällen das Letzturteil über die europäische Kompetenz dem EuGH zustehen sollte,
  • die Anerkennung traditioneller, auch grenzüberschreitender Regionen und ihrer Vollmachten,
  • die rechtliche Anerkennung übernationaler Parteien, gesellschaftlicher Vereine und Verbände, sowie einen europäischen Rechtsschutz für die in Europa beheimateten christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften,
  • die tatsächliche Vergemeinschaftung der Außen- und Sicherheitspolitik
  • ieStreichung der mitgliedsstaatlichen Verwaltungseinheiten für jene Bereiche, in denen die Zuständigkeit auf die europäische Ebene oder eine regionale Ebene wandert.

2. Reform der Verträge

Die Unübersichtlichkeit der heute für die EU geltenden Verträge muß zugunsten einer transparenteren, für den Bürger und Politiker durchschaubaren Ordnung ersetzt werden, wie dies von zahlreichen Staatsmännern in Europa seit Jahren gefordert wird. Die Paneuropabewegung Österreich fordert in diesem Sinne

  • die Schaffung einer Europäischen Verfassung, bestehend aus einer Grundrechtscharta, den Verträgen in neu geordneter und reformierter Form und einem Kompetenzkatalog,
  • die Debatte und Verabschiedung der Grundrechtscharta – auf der Grundlage der von einem Konvent erarbeiteten und vom Europäischen Rat wie vom Europäischen Parlament proklamierten – durch die bestehenden Kammern der Gesetzgebung (Rat und Parlament),
  • im Falle der persönlichen Betroffenheit soll es jedem Unionsbürger offen stehen, sich unter Berufung auf die Grundrechtscharta grundsätzlich auch direkt an den EuGH wenden zu können; das Klagerecht sollen auch juristische Personen, Gebietskörperschaften, Kirchen usw. wahrnehmen können,
  • die Formulierung und Ratifikation eines Kompetenzkataloges in der Logik des Subsidiaritätsprinzips, der jedoch weitere Integrationsschritte nicht verhindern darf,
  • im Sinne des doppelten Charakters der EU als Union der Staaten und der Bürger sollte eine Europäische Verfassung durch die gesetzgebenden Organe der Union und der Mitgliedsstaaten ratifiziert werden,
  • die Rechtspersönlichkeit für die Europäische Union, die in der Außen-, Außenwirtschafts- sowie Sicherheits- und Verteidigungspolitik einheitlich handelt und die gemeinsame Verantwortung auch gemeinschaftlich wahrzunehmen hat.

3. Reform der Institutionen

Die für einen lockeren Staatenbund von sechs Mitgliedsstaaten geschaffenen Institutionen müssen einer tiefgreifenden Reform unterzogen werden, um auch in einer wirtschaftlich, politisch und rechtlich tief integrierten Union von fünfzehn, siebenundzwanzig und mehr Mitgliedsländern handlungsfähig zu sein. In diesem Sinne fordert die Paneuropabewegung Österreich

  • die Anerkennung der Europäischen Kommission als Regierung der EU mit voller Regierungsverantwortung und –vollmacht in allen Bereichen, in denen der EU Kompetenz zukommt,
  • die Beschränkung des Rates auf die Funktion einer Staatenkammer der EU-Gesetzgebung, wobei der Rat hier – im Sinne der EU als Union der Staaten - als eigene EU-Institution agiert,
  • die Aufwertung des Europäischen Parlamentes als erste Kammer der europäischen Gesetzgebung – im Sinne der EU als Union der Bürger,
  • die Integration des „Mr. GASP“ in die EU-Kommission bzw. die Fusionierung dieses Amtes mit dem für Außenpolitik zuständigen EU-Kommissar, sowie dessen internationales Auftreten als Außenminister der Europäischen Union,
  • die Stärkung des Kommissionspräsidenten in der EU-Kommission im Sinne einer Richtlinienkompetenz,
  • das Recht des Kommissionspräsidenten, die Kommission ausschließlich aufgrund persönlicher und fachlicher Eignung – ohne Berücksichtigung eines nationalen Proporzes, aber unter Wahrung der europäischen Vielfältigkeit des Gremiums - auszusuchen,
  • das Recht der beiden Kammern der europäischen Legislative – Parlament und Rat (in dem es dann selbstverständlich auch kein Einstimmigkeitsprinzip mehr gibt) – den Kommissionspräsidenten nach Anhörung zu wählen und durch ein Mißtrauensvotum wieder zu stürzen, sowie das Recht beider Kammern, die Kommissare nach individueller Anhörung zu bestätigen und – auf dem Weg eines qualifizierten Mißtrauensvotums – zu stürzen,
  • die Einführung eines einheitlichen Europawahlrechts (für die Wahl zum Europäischen Parlament), orientiert am Persönlichkeitswahlrecht und mit der Möglichkeit EU-weiter Kandidaturen bzw. gemeinsamer Spitzenkandidaten,
  • die Schaffung eines Initiativrechtes in der Gesetzgebung für Rat, Parlament und Kommission,
  • die Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft zur Wahrung der Interessen der Union, für all jene Bereiche, in denen die Union Kompetenzen hat.

 
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